Outer Range: Kritik zur 1. Staffel der Mysteryserie (2024)

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Von: Reinhard Prahl

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Outer Range: Kritik zur 1. Staffel der Mysteryserie (1)

Die US-amerikanische Neo-Western- und Mysteryserie Outer Range hat auf Amazon Prime Video mit ihren ersten acht Episoden einen fulminanten Start hingelegt. Was uns besonders gut gefiel und warum wir auf eine Fortsetzung hoffen, verraten wir Euch in unserem Staffelfazit.

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Geht doch

In seiner Kritik zur Pilotfolge (die Review könnt ihr hier nachlesen) von Outer Range stellte der Autor dieses Staffelfazits die Frage, ob eine interessante Prämisse genügt, um eine ganze Season mit acht Episoden zu tragen. So viel sei zu Beginn dieser Betrachtung vorweggenommen: Sie kann - und wie! Outer Range ist in jeder Hinsicht eine der ungewöhnlichsten Serien seit Langem. Klar, Zeitreisegeschichten gibt es zuhauf und in fast jeder Form. Das große Rätsel der Geschichte aber auf ein vermeintlich schlichtes schwarzes Loch mitten auf einer Weide in Wyoming zu proji*zieren - und damit einen derart steil ansteigenden Spannungsbogen zu erzeugen - ist schon eine Kunst.

Die erste Folge beginnt noch recht verhalten, endet aber mit dem im Pilotreview erwähnten Cliffhanger. Episode zwei The Land klärt den Zuschauer endgültig darüber auf, dass es sich bei dem Loch um ein scheinbar unberechenbares Zeitphänomen handelt. Wer sich in den Abgrund begibt, weiß nicht, wo und vor allem, wann er landet. Das ist nicht unbedingt neu, aber packend inszeniert. Denn das schwarze Ungetüm auf Abbotts Land macht, was es will und bringt die Familie in immer ärgere Bedrängnis, an der die rätselhafte Autumn nicht ganz unschuldig ist.

An dieser Stelle sei übrigens einmal der Ersteindruck des Rezensenten zu den schauspielerischen Leistungen, vornehmlich von Josh Brolin (als Royal Abbott) und Imogen Poots (Autmn) revidiert. Starteten die beiden Mimen noch mit einer soliden Leistung in die Season, steigert sich diese von Episode zu Episode und entwickelt sich zu einer der tragenden Säulen der Serie. Vor allem Poots begeistert mit ihrer riesigen emotionalen und schauspieltechnischen Bandbreite als durchgeknallte Hippiebraut. Alles an Autumn gibt Rätsel auf und regt zum Mitdenken an. Wer ist sie? Was treibt sie um, welche Ziele verfolgt sie? Redet sie nur wirres Zeug, oder ist sie auf eine geheimnisvolle Weise mit dem Loch verbunden?

All diese interessanten Fragestellungen finden im passenden Augenblick eine Antwort. Und auch Royal hütet ein dunkles Geheimnis, dass ihm Grund genug ist, das Phänomen vor seiner Familie geheim halten zu wollen. Doch ist alles, was geschieht, wirklich Zufall? Oder spinnen die sprichwörtlichen Nornen den Schicksalsfaden der Protagonisten, so dass sie letztlich nur einem vorgegebenen Weg folgen?

Spannungsbogen: Top

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Klasse ist, dass das Team um Creator Brian Watkins das Mysterium langsam aber stetig aufbaut, während der Plot um den ermordeten Tillerson-Sohn als Gerüst dient, um den sich die Figuren herumhangeln. Eine zentrale Rolle spielt hier die Gesetzeshüterin Deputy Sheriff Joy (hervorragend gespielt von Tamara Podemski), eine lesbische Ureinwohnerin, die sich ihren Status in der kleinen, von Weißen dominierten Gemeinde, hart erarbeiten musste. Jeder versucht sie für seine Zwecke zu missbrauchen, mal mit mehr oder weniger unterschwelligen Drohungen, mal durch einen Bestechungsversuch. Sie selbst ist nicht Teil des Rätsels, doch ihre Ermittlungen führen mit dazu, dass Abbotts Geheimnis bald keines mehr ist. Die Folgen vier (The Loss) und fünf (The Soil) drehen sich fast ausschließlich um den klug integrierten Subplot, der so viel Bedeutung für das große Ganze hat.

In Teil sechs, The Family, wird allmählich deutlich, dass Autumn nicht das zwar durchgeknallte, aber letztlich doch harmlose Mädchen ist. Sie hält sich für eine Auserwählte. Sie ist dazu auserkoren, die Welt zu verändern, indem sie die Kontrolle über ein schwarzes Mineral ausübt, dass dieselben Eigenschaften wie das Zeitphänomen hat oder sogar der Auslöser ist. Sie manipuliert Royals Söhne ebenso, wie den naiven Billy Tillerson (herrlich verrückt: Noah Reid), der ebenfalls die ein oder andere skurrile Eigenschaft aufweist.

So singt er sich beispielsweise nur in weißer Unterhose bekleidet vor dem Spiegel durch die 90er Pop-Welt oder isst kurzerhand von dem Mineral, dass sein Vater Wayne (Will Patton) von einem seiner mexikanischen Hilfsarbeiter erhalten hat. Der Genuss lässt ihn eine Vision erleben, in der Autumn als Herrscherin über die Zeit die Welt verändert und so entscheidet er sich, ihr bedingungslos zu folgen.

Außergewöhnliche Figuren

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An diesen Beispielen ist ersichtlich, dass es sich die Autoren in Sachen Figurenzeichnung nicht leicht machen. Fast jeder Protagonist zeigt sich im Verlauf der Staffel mit irgendwelchen bizarren Charakterzügen. Royals Geheimnis, das sich zum Ende übrigens auf schockierende Weise offenbart, steigert sein Schutzbedürfnis für seine Familie ins Unermessliche. Seine Frau Cecilia ist eine fanatische Gläubige, die sich regelmäßig mit ihrem Bibelkreis trifft, ohne Tischgebet nicht leben kann und die Bibel manchmal allzu wörtlich nimmt. Perry Abbott (Tom Pelphrey) ist ein sorgender Vater, der aber viel zu schnell aggressiv und deshalb zum Totschläger wird.

Wayne Tillerson ist besessen davon, das westliche Weideland der Abbotts zu bekommen, auf dem sich das Loch befindet. Und Luke will um jeden Preis die Farm seines Vaters erben, auch, wenn er ihn dafür töten muss. Die einzigen Menschen, die ein wenig Normalität versprühen sind Royals jüngerer Sohn Rhett (Lewis Pullman) und seine Freundin Maria (Isabel Araiza), die sich in der letzten Folge dazu entschließen, das Leben in Wyoming hinter sich zu lassen. Was sie letztlich daran hindert, soll an dieser Stelle aus Spoilergründen aber nicht verraten werden.

Kühne Inszenierung

Auf inszenatorischer Seite gibt sich die Serie recht eigenwillig, aber konsequent. Die Macher ziehen das Neo-Western-Setting straight durch und geben einen Schuss Roadmovie und Lost hinzu. Deputy Joys ermittelt meist am Tage in der Sommerhitze des Nordwestens, während bei den Mystery-Elementen Dunkelheit oder zumindest Zwielicht eine zentrale Rolle spielt. Besonders ausgefallen präsentiert sich der Soundtrack, der zwischen 50er-Jahre Doo-Wop-Balladen, Country oder Rock und Pop der 70er bis 90er angesiedelt ist.

So singt Billy beispielsweise im Auto einen alten Fleetwood-Mac-Song oder im Radio läuft Supertramp. Als er Atumn seine Liebe gesteht und ihr Treue schwört, ist aus dem Off „I Only Have Eyes For You“ von den Flamingos zu hören und so weiter. Die Auswahl passt zwar textlich zur jeweiligen Situation, wirkt aber musikalisch zumindest bisweilen befremdlich. Dieser Kniff verleiht der jeweiligen Szene aber noch mehr Nachdruck, schlicht, weil man sich nicht mehr nur auf das Bild konzentriert, sondern die Musik einen wichtigen Raum einnimmt. So denkt man unwillkürlich darüber nach, welchen Zweck diese oder jene Melodie gerade jetzt erfüllt.

Perspektiven

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Auch in der Vermittlung der Serienmythologie geht Outer Range eigene Wege. Statt in Dialogen, erhält der Zuschauer das nötige Hintergrundwissen überwiegend aus dem Off. Meist ist es Royals Stimme, die zu vernehmen ist. In teils kryptischen Worten berichtet er aus der Ich-Perspektive über die Zeit als solches, sein Verhältnis zu Gott oder darüber, was ihm als Kind widerfuhr und woher er wirklich stammt. Die Auflösung seines Geheimnisses ist ein letztlich zwar vorhersehbarer, aber dennoch toll geschriebener Twist, der einen noch größeren Twist einleitet. Die Staffel endet entsprechend mit ebenso vielen offenen Fragen, wie sie begann.

Die im Pilotreview erwähnten mythologischen Bezüge zu vermitteln, obliegt indes Autumn, die immer dann als auktorialer (allwissender) Erzähler aus dem Off auftritt, wenn es darum geht, was genau das Loch ist und wer (oder was) es erschuf. Dieser Perspektivwechsel ist enorm wichtig, weil der eine das Phänomen aus seinen persönlichen Erfahrungen heraus beschreibt, während die andere ihren, woher auch immer stammenden Wissensstand zum Besten gibt. Auf diese Weise beleuchten die Autoren das Geschehen von zwei Seiten und sparen sich außerdem langweilige Flashbacks.

Fazit

Die erste Season der Serie Outer Range ist ein voller Erfolg. Endlich besinnt sich eine Fantastik-Serie wieder auf ihre erzählerischen Werte und macht sich frei von zu viel Effekthascherei oder aufgeblasenen Narrativen, die sich letztlich als Luftnummer erweisen. Die Prämisse der Serie mag simpel erscheinen. Doch was das Produktionsteam daraus gemacht hat, ist aller Ehren wert und darf sich ohne Probleme in eine Reihe mit den Großen des Genres, wie Lost oder Fringe einreihen. Das Finale schreit geradezu nach einer zweiten Staffel, denn es gilt, noch viele Fragen zu beantworten und vielleicht noch viele weitere zu stellen. Zu wünschen wäre es.

Hier abschließend noch der Trailer zur Serie „Outer Range“:

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Author: Laurine Ryan

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